Es war ein Glücksfall, dass bei einem Besuch im Kloster 1995 der damalige Leitende Restaurator im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und jetzige Professor an der Münchener Technischen Universität, Herr Erwin Emmerling, im oberen Kreuzgang die dort aufgehängten sechs Verschlusstafeln sah. P. Rupert Brandlmeier, der frühere Kustos, hatte diese Tafeln 1982 während der Restaurierungsarbeiten auf dem Dachboden der Kirche entdeckt. Dort lagen sie seit der vorletzten Kirchenrenovierung 1906. Den Erhaltungszustand kann man sich vorstellen! Die Rahmen wurden in unserer Schreinerei ausgebessert, an eine Gesamtrestaurierung der Tafeln war natürlich aus Kostengründen nicht zu denken.

Deshalb war die Freude groß, als Herr Emmerling beim damaligen Besuch spontan beschloss, die Tafeln zur Restaurierung nach München kommen zu lassen. Für die Transportkosten sollte das Kloster aufkommen. Im Laufe der letzten fünf Jahre konnte ich mich im Landesamt mehrmals über den Fortgang der Untersuchung, der Konservierung und der Restaurierung informieren. Frau Cornelia Ringer und ihre Mitarbeiterinnen verdienen Lob und Dank für die aufwendigen Arbeiten! Eine ausführliche Dokumentation wurde erstellt, und Herr Burkhard Körner verfasste eine kunsthistorische Einleitung. Ein Teil der großen Dokumentation liegt auch im Archiv der Abtei vor und kann von Interessenten bei mir eingesehen werden.

Im Untersuchungs- und Restaurierungsbericht des Landesamtes heißt es: „Die Erhaltung der Tafeln und ihre Zuordnung als Verschlusstafeln zu den Reliquienschreinen (1727-1750) ist eine Seltenheit...Die Niederaltaicher Tafeln sind für die Geschichte des Reliquienkultes und der Reliquienverehrung daher von besonderem kulturhistorischen Interesse.“

Was wissen wir nun über die so bedeutenden Tafeln? Leider konnte ich bisher im Archiv über die Tafeln selbst noch nichts finden. Vielfältiger sind die Zeugnisse über die Heiligenleiber in den Schreinen, die durch die Tafeln abgedeckt wurden.

Der barocke Umbau unter Abt Joscio Hamberger war zur Jahrtausendfeier 1731 abgeschlossen. Schon einige Jahre vorher hatte er aus den römischen Katakomben die Leiber der hl. Julia, der hl. Aurelia, des hl. Julius, des hl. Antonin und des hl. Magnus kommen lassen. Eine Fülle von Heiligenverehrungen hatte ja seit der Entdeckung der römischen Katakomben 1578 eingesetzt. Jede Kirche schätzte sich glücklich, möglichst viele Reliquien zu besitzen. Diese Heiligen bei uns sollten den Wert und die Bedeutung der Seitenaltäre erhöhen. Noch vor der Ankunft der Gebeine in Niederaltaich waren diese von Maria Pudentiana Hämerlein aus Landeck, die damals gerade in Freising arbeitete, mit Brokatstoffen, Goldfäden, Perlen und Halbedelsteinen gefasst worden. Marian Pusch schildert in seinem Tagebuch eindrucksvoll die Ankunft der Leiber. In einer feierlichen Prozession wurden sie von der Donau, wo sie mit einem Schiff angekommen waren, in die Kirche überführt. Auch der Klosterchronist P. Placidus Haiden schreibt 1731 in der Festschrift zum 1000 - jährigen Jubiläum davon.

Der Leib unserer sel. Alruna war ja bereits in Niederaltaich. Sie stammte aus einem Adelsgeschlecht von Cham bei Ortenburg und war nach dem frühen Tod ihres Mannes als Einsiedlerin in die Nähe des Klosters gezogen. Sie starb unter Abt Ratmund am 27. Januar 1045 und wurde in der Klosterkirche beigesetzt. Aufgrund ihrer Wohltätigkeit wurde sie als „Mutter der Armen“ bezeichnet und auch in unserer Hofmarkt hoch verehrt. Sie wird besonders von werdenden Müttern und Fieberkranken angerufen.

Die sechs Verschlusstafeln zeigen die Heiligen als Lebende in liegender Position. Die bemalten Tafeln dienten als Schutz für die Reliquien in den verglasten Schreinen und wurden wohl nur an hohen Festtagen abgenommen, um einen Blick auf die gefassten Leiber werfen zu können. Über den oder die Maler ist noch nichts bekannt, möglicherweise sind sie der Werkstatt unseres Kirchenmalers Wolfgang Andreas Heindl, - so vermutet das Landesamt - zuzuschreiben.

Zur Orientierung folgt die Lage der Altäre mit den entsprechenden Tafeln:

Nordseite (linke Seite nach dem Eingang): Südseite (rechte Seite):
ganz vorn:  ganz vorn: 
1. Johannesaltar – hl. Julius  1. Benediktusaltar – hl. Julia
2. Josefsaltar – hl. Antonin  Alruna 2. Heinrich- und Kunigundenaltar – sel.
3. Martinsaltar – hl. Magnus 3. Sebastiansaltar – hl. Aurelia

 

Die Verschlusstafeln werden in der Adventszeit und in der österlichen Bußzeit an den Schreinen angebracht. Die Tafel mit dem Bild der seligen Alruna wird den Schrein am Heinrich- und Kunigundenaltar das ganze Jahr über verschließen. Um sich von der Qualität der Gemälde zu überzeugen, betrachten Sie bitte das Foto des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege mit der dargestellten seligen Alruna!