Gott auf Erden, Gott unter Menschen, nicht im Feuer und unter Posaunenschall, nicht auf rauchendem Berg oder bei Dunkel und bei herzerschütterndem und ohrenbetäubenden Sturmwind Gesetze gebend, sondern in leiblicher Erscheinung sanft und gütig mit Seinesgleichen verkehrend. 

Gott im Fleische, nicht aus weiten Entfernungen wirksam wie in den Propheten, sondern vereint mit einer der Menschheit wesensgleichen Natur, um so durch sein mit uns verwandtes Fleisch die ganze Menschheit zu sich zurückzuführen. 

Wie ging nun, fragt man, die Herrlichkeit von einem auf alle über? Wie war die Gottheit im Fleisch? Wie das Feuer im Eisen, nicht durch Übergang, sondern durch Mitteilung. Nicht entweicht ja das Feuer in das Eisen, sondern teilt ihm, am Orte verbleibend, nur von seiner Kraft mit; auch nimmt es nicht ab durch die Mitteilung, erfüllt vielmehr ganz, was mit ihm in Berührung kommt. So nun ist auch Gott das Wort nicht aus sich herausgetreten, und hat dennoch unter uns gewohnt, und ohne eine Veränderung zu erleiden „ward das Wort Fleisch” (Joh 1,14). Der Himmel verlor den nicht, der ihn umfaßt, und doch nahm die Erde den Himmlischen in ihren Schoß auf. Denk dabei nicht an ein Herabsinken der Gottheit; denn sie geht nicht wie ein Körper von einem Ort an einen andern. Auch bilde dir nicht ein, die Gottheit hätte sich verändert in Form einer Verwandlung ins Fleisch; denn das Unsterbliche ist unveränderlich.

Wie, frägt man, ward nicht Gott das Wort mit leiblicher Ohnmacht angefüllt? Wir antworten: So wenig, als das Feuer von den Eigenschaften des Eisens berührt wird. Schwarz ist das Eisen und kalt; aber vom Feuer durchglüht nimmt es doch die Form des Feuers an, wird selbst glühend, ohne das Feuer zu schwärzen, flammensprühend, ohne die Flamme abzukühlen. Ebenso hat auch das menschliche Fleisch des Herrn an der Gottheit teilgenommen, ohne der Gottheit von seiner Schwachheit mitzuteilen ... weiß du nicht, wie die verwesliche Natur durch ihre Vereinigung mit Gott die Unverweslichkeit erlangt hat? Nun, vernimm vom Geheimnis!

Deshalb ist Gott im Fleische, um den darin verborgenen Tod zu töten. Wie ... die Finsternis im Hause verschwindet, sobald man das Licht herbeibringt, so ist auch der Tod, der in der menschlichen Natur herrschte, durch die Gegenwart der Gottheit verscheucht worden. Und wie das Eis im Wasser, solange Nacht ist und Schatten, die Nässe beherrscht, unter dem Strahl der wärmenden Sonne aber schmilzt, so hat auch der Tod bis zur Ankunft Christi geherrscht. Als aber die rettende Gnade Gottes erschien (Tit 2,11) und die Sonne der Gerechtigkeit aufging (Mal 4,2), da wurde der Tod verschlungen im Siege (1 Kor 15,54), weil er die Gegenwart des wahren Lebens nicht ertragen konnte. O Tiefe der Güte und Liebe Gottes! Dank dieser übergroßen Menschenfreundlichkeit haben wir das Joch der Knechtschaft abgeschüttelt. Und da suchen Menschen nun noch nach dem Grunde, weshalb Gott unter den Menschen weilte, indes sie doch seine Güte anbeten sollten. ...

So wollen denn auch wir diese große Freude in unsere Herzen aufnehmen! Diese Freude verkündigten ja die Engel den Hirten (Lk 2,10). Mit den Magiern wollen wir auch anbeten, mit den Hirten lobpreisen, mit den Engeln frohlocken! „Denn heute ist uns der Heiland geboren worden, welcher ist Christus, der Herr” (Lk 2,11). „Gott ist der Herr, und uns ist er erschienen” (Ps 117,27), nicht in der Gestalt Gottes, damit er das Schwache nicht erschrecke, sondern in der Gestalt eines Knechts, um das Geknechtete zur Freiheit zu führen. Wer wäre so schläfrig, wer so undankbar, daß er sich nicht freuen, daß er nicht frohlocken und fröhlich sein sollte ob dem heutigen Tag? Das Fest ist der ganzen Schöpfung gemeinsam: Es schenkt der Welt den Himmel, sendet die Erzengel zu Zacharias und zu Maria und stellt Engelchöre auf, die da singen: „Ehre Gott in den Höhen und Friede auf Erden, und unter Menschen ein Wohlgefallen” (Lk 2,14). Sterne laufen frei am Himmel; Magier rühren sich aus dem Heidenlande; die Erde nimmt ihn auf in einer Höhle: keiner bleibe unbeteiligt, keiner ohne Dank. Lassen auch wir ein Wort des Frohlockens erschallen! ... 

Feiern wollen wir das Errettungsfest der Welt, den Geburtstag der Menschheit. Heute ward die Strafe Adams aufgehoben. Es heißt nicht mehr: „Du bist Staub und wirst wieder zu Staub zurückkehren” (Gen 3,19), sondern du wirst, mit dem Himmlischen verbunden, in den Himmel aufgenommen werden. ...  Warum bangst du also für die fehler- und fleckenlose Natur, als könnte sie etwa von uns beschmutzt werden? Deshalb ward er ja geboren, damit du durch die Verwandtschaft gereinigt werdest. Deshalb wächst er heran, damit du verwandtschaftlich ihm zu eigen werdest.

O Tiefe der Güte und Liebe Gottes zu den Menschen! Wegen des Übermaßes der Geschenke glauben wir dem Wohltäter nicht. Wegen der großen Menschenfreundlichkeit des Herrn versagen wir ihm den Dienst! O törichte und boshafte Unerkenntlichkeit! Die Magier beten an, und die Christen grübeln nach, wie Gott im Fleische, und in welchem Fleische er sei, und ob er als Vollendeter oder Unvollendeter empfangen worden! Unnützes übergehe man in der Kirche Gottes mit Stillschweigen, man halte hoch den überkommenen Glauben und disputiere nicht über das Verschwiegene! Schließ dich denen an, die mit Freude den Herrn vom Himmel her aufnahmen! Denke an die erleuchteten Hirten, an die Propheten-Priester (Zacharias und Simeon), an die frohlockenden Frauen, nämlich an Maria, als sie von Gabriel geheißen wurde sich zu freuen (Lk 1,28), und an Elisabeth, die den Johannes trug, der in ihrem Schoße freudig aufhüpfte (Lk 1,44). Anna verkündete eine frohe Botschaft (Lk 2,38), Simeon nahm das Kind in seine Arme (Lk 2,28), und beide beteten in dem kleinen Kinde den großen Gott an; sie nahmen keinen Anstoß an dem Kinde, das sie sahen, sondern lobpriesen die Herrlichkeit seiner Gottheit. Wie ein Licht durch gläserne Tafeln leuchtete ja die göttliche Macht durch den menschlichen Leib und erhellte die, welche die Augen ihres Herzens reingehalten hatten. Mögen bei diesen auch wir befunden werden und mit enthülltem Antlitz die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel schauen, damit auch wir von Klarheit zu Klarheit umgewandelt werden (vgl. 2 Kor 3,18) - durch die Gnade und Menschenfreundlichkeit unseres Herrn Jesu Christi, dem da sei die Ehre und die Herrschaft von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Hl. Basilius der Große (um 330-379), Homilie über die heilige Geburt Christi, 2.6; PG 31, 1459f; dt.: Dr. Anton Stegmann, Bibliothek der Kirchenväter 47, 405-418