„Was sind wir doch für Esel gewesen, alle Klöster aufzuheben!“, so (angeblich) König Max I. zum Eichstätter Bischof Georg von Oettl einige Jahre nach der Säkularisation von 1803. Da war es freilich schon zu spät! Was war vorausgegangen? Die steigende Wirtschaftskraft der Klöster sorgte schon nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) für Neid gerade beim Adel. Über die Hälfte des gesamten Grundbesitzes von Bayern befand sich Mitte des 18. Jahrhunderts in der Hand der Kirche. Die Französische Revolution und die kirchenfeindliche Hetze der Aufklärung gaben letzten Endes den Anstoß. Durch die Bestimmungen des Reichdeputationshauptschlusses von Regensburg am 25. Februar 1803 sollten die weltlichen Fürsten durch die Einziehung der geistlichen Stifte für den Verlust ihrer Besitzungen auf dem linken Rheinufer nach dem Krieg gegen Napoleon entschädigt werden. Das eigentlich angestrebte Ziel jedoch - die Verbesserung der Staatsfinanzen - wurde nicht erreicht.

Den Griff des Staates nach kirchlichem Gut gibt es, seitdem die Kirche weltliche Güter besitzt. 1803 traf es die Klöster aber in radikalster Weise. 1903 - also 100 Jahre nach der Säkularisation schreibt Otto Münch in seinem Werk „Der bayerische Klostersturm 1803“: „Für alle Zeiten wird die Säkularisation in der Geschichte des öffentlichen Rechtes in Bayern der größte Schandfleck bleiben.“ Nach 200 Jahren sehen wir das ganze Geschehen etwas differenzierter! Aber: Klosteraufhebung ist mit den Begriffen "Rechtsbruch", "Vandalismus", "Barbarei", "Plünderung", "Vertreibung" und "Ruinen" verbunden. Die Größe des Verlustes können wir erst ermessen, wenn wir wissen, was vorher vorhanden war. Dass wir über den Besitzstand unseres Klosters so gut informiert sind, ist dem Umstand zu verdanken, dass eben die Aufhebung den Anlass geboten hat, diesen Besitzstand zu inventarisieren.

Niederaltaich war das große Wirtschaftskloster schlechthin. Seit den Jahren seiner Gründung in den 740er-Jahren zählte es zu den vermögendsten Klöstern Bayerns. Zur Zeit der Aufhebung 1803 galt es als das reichste und höchstbesteuerte Kloster Bayerns. Hier kann nicht auf die Besitzverhältnisse im Einzelnen eingegangen werden. (Eine ausführliche Beschreibung ist in der „Geschichte der Abtei Niederaltaich 731-1986“ von Stadtmüller/Pfister zu finden.) Hinzuweisen ist noch auf die drei Propsteien Rinchnach, St. Oswald und Spitz in der Wachau mit all ihren Besitzungen, die ebenfalls verloren gingen.

Die seit langem befürchtete Aufhebung traf Niederaltaich am 21. März 1803, dem Benediktusfest. Der Lokalkommissär von Rüdt teilte Abt Kilian und den 13 anwesenden Mönchen mit, dass er im Namen seiner Durchlaucht, des Kurfürsten, abgeordnet sei, sämtliche Temporalien (die zeitlichen Belange einer religiösen Gemeinschaft im Gegensatz zu den geistlichen) ohne Ausnahme in Besitz zu nehmen. Den 7 Novizen wurde am nächsten Tag ihre Entlassung mitgeteilt. Jeder bekäme 150 Gulden. Den Klosterbeamten und den Klosterdienern wurde mitgeteilt, dass sie weiterhin gewissenhaft ihre Aufgaben im Dienste der Kommission zu erfüllen hätten. Das Seminar mit den Schülern wurde aufgehoben. Das Kloster zählte damals 43 Mönche, die bis zur Regelung ihrer Pension täglich einen Gulden erhielten. Ein Teil des Konventes konnte mit dem Abt bis 1806 in einem Trakt des Klosters weiterleben. Sie scheinen die Aufhebung mit Würde getragen zu haben. Mit dem wenigen Geld erwarben sie Gegenstände zurück, die dem Kloster gehört hatten, - so auch das berühmte kleine Altärchen aus dem 17. Jahrhundert.

Der Staat wollte aus dem Verkauf des Klosterbesitzes neue Einnahmen erschließen. Die klösterlichen Waldungen (ca. 16.000 ha), die wertvollsten Stücke der Bibliothek (allein nach München in die Kurfürstliche Bibliothek kamen 37 Handschriften, 386 Inkunabeln, 1166 Bücher in 11 großen Kisten) und der Archive und ein geringer Bruchteil der Kunstgegenstände sollten in staatlichem Besitz bleiben. Schon im April 1803 begannen die Versteigerungen, zuerst der Liegenschaften, dann der Mobilien. Es folgten die Vorräte an Getreide und Wein und schließlich die Grundstücke. Der Lokalkommissär von Rüdt dachte auch daran, die Klosterkirche abbrechen zulassen. Die Landesdirektion lehnte diesen Vorschlag aber ab: „Einen so auffallenden Vandalismus will sich wenigstens die unterzeichnete Stelle nicht zu Schulden kommen lassen. Es wird daher ein für allemal festgesetzt, daß die dortige Klosterkirche zur Pfarrkirche constituiert, die bisherige Pfarrkirche aber zum Abbrechen versteigert werden soll.“ So geschah es. Der barocke Hochaltar gelangte nach Langdorf, wo er in leicht veränderter Form erhalten blieb. Mit den Steinen wurde der Kirchturm in Isarhofen erbaut. Von den insgesamt zwölf Glocken der Klosterkirche, die sich bei der Aufhebung hier befanden, mussten in der Folgezeit neun abgegeben werden. Die fast 100 Ztr. schwere Jubiläumsglocke von 1731 schenkte die Regierung der Stadtpfarrkirche in Vilshofen. Eine bedeutende Anzahl von Paramenten, Kirchengerät und Figuren gelangte an verschiedene Gotteshäuser, nachdem, wie Pfarrer Feichtmayer schreibt, „auf allerhöchsten Befehl die zwei schönsten und kostbarsten Ornate nach München eingesendet“ werden mussten. Prachtvolle Ornate und Pontifikalzubehör mussten an die Domkirche zu Passau abgegeben werden.

Schwieriger als die Weiterbeschäftigung, so heißt es bei Stadtmüller/Pfister, gestaltete sich die tatsächliche Eingliederung der Personen, die bisher als Taglöhner und Handwerker dem Kloster gedient hatten, in die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse. Sie erhielten gegen leichtere Bedingungen Ödgründe zugewiesen. Die 41 Bedürftigen, die bisher unentgeltlich oder gegen frühere Einbringung ihrer meist schmalen Ersparnisse vom Kloster Kost und Wohnung erhalten hatten, mussten künftig vom Staat unterhalten werden. Mit dem Verschwinden des Klosters gingen nicht nur viele Arbeitsplätze verloren, sondern es fielen auch die für die Landwirtschaft wichtigsten Kreditquellen weg. Vor allem aber fehlte nun der geistig-geistliche, kulturelle Mittelpunkt mit den Bildungseinrichtungen von Kloster, Bibliothek und Schule nicht nur für den Ort, sondern weit darüber hinaus für die ganze Umgebung.

Über hundert Jahre sollte es dauern, bis in den Ruinen des alten Klosters wieder monastisches Leben erstand. Den entscheidenden Anstoß zur Wiedererrichtung gab ein Niederaltaicher: Franz Xaver Knabenbauer.